Was Sie bei Ihrer MPU aufgrund von medizinischem Cannabis erwartet und was Sie darüber wissen sollten

FAHREIGNUNG, CANNABISPATIENT, MEDIZINISCHES CANNABIS, FÜHRERSCHEINENTZUG

Immer wieder geraten Cannabispatienten in eine Polizeikontrolle und anschließend in die Mühlen der Fahrerlaubnisbehörden. Nicht selten sind die Sachbearbeiter in der Fahrerlaubnisbehörde überfordert und handeln falsch. Die Folgen: Unrechtmäßiger Führerscheinentzug, Falsche Anordnung einer MPU (Medizinisch-psychologischen-Untersuchung) etc.

Cannabispatienten, die Cannabis (THC) auf Rezept verschrieben bekommen haben, müssen keine „normale“ MPU ablegen! Lassen Sie sich als Cannabispatient in keinem Fall hierauf ein, da Sie eine normale MPU mangels Abstinenznachweis gar nicht bestehen können.

Nach Ziffer 9.6.2 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV ist nur dann ein Führerscheininhaber als ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen anzusehen, wenn bei ihm unter einer Dauerbehandlung von Arzneimitteln eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das erforderliche Maß festzustellen ist.

Sie müssen also als Cannabispatient „nur“ nachweisen, dass Sie trotz der Einnahme von Cannabis in der Lage sind, ein Kraftfahrzeug sicher im Straßenverkehr führen zu können.

Ein aktuelles Urteil stellt klar, wann Betroffene nicht mehr fahrtauglich sind und keine Fahrerlaubnis (Führerschein) mehr besitzen dürfen.

Der VGH München hat in einem Beschluss vom 16.01.2020 (Aktenzeichen: 11 CS 19.1535) folgende Richtlinien aufgestellt:

1) Ein Fahrerlaubnisinhaber verliert seine Fahreignung durch einen über mehrere Monate anhaltenden, nicht ärztlich verordneten, regelmäßigen, d.h. nahezu täglichen Cannabiskonsum.

2) Wenn eine Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis im Sinne von Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV vorliegt, führt diese Dauereinnahme von Medizinal-Cannabis nur dann nicht zum Verlust der Fahreignung, wenn

a) die Einnahme von Cannabis indiziert und ärztlich verordnet ist,

b) das Medizinal-Cannabis zuverlässig nur nach der ärztlichen Verordnung eingenommen wird,

c) keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit festzustellen sind,

d) die Grunderkrankung bzw. die vorliegende Symptomatik keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung aufweist, die eine sichere Verkehrsteilnahme beeinträchtigt,

e) und nicht zu erwarten ist, dass der Betroffene in Situationen, in denen seine Fahrsicherheit durch Auswirkungen der Erkrankung oder der Medikation beeinträchtigt ist, am Straßenverkehr teilnehmen wird.

Die Hürden, trotz einer Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis die Fahrtauglichkeit und damit die Fahrerlaubnis nicht zu verlieren, sind folglich hoch. Dennoch besteht die Möglichkeit, trotz einer Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis weiterhin als fahrtauglicher Führerscheininhaber am Straßenverkehr teilzunehmen.

Fahreignung bei Einnahme von medizinischem Cannabis

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 29.4.2019, Az.: 11 B 18.2482, folgende Grundsätze aufgestellt:

1) Wird medizinisches Cannabis nicht entsprechend der ärztlichen Verordnung eingenommen, besteht nach Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV (juris: FEV 2010) keine Fahreignung.

2) Im Falle des Beigebrauchs von illegalem Cannabis oder fahreignungsrelevantem Mischkonsum mit Alkohol besteht bei Cannabispatienten ebenfalls keine Fahreignung.

3) Erfolgt die ärztliche Verordnung von medizinischem Cannabis erst nach einem Verstoß gegen das Trennungsgebot in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV, hat die Fahrerlaubnisbehörde zu prüfen, ob durch die Verordnung die Fahreignungszweifel ausgeräumt sind. Ggf. sind entsprechende Aufklärungsmaßnahmen einzuleiten.

Bedeutung für die Praxis:

„Seitdem Cannabis verschreibungsfähig geworden ist, häufen sich diejenigen Fälle, in denen Cannabispatienten unter Cannabiseinfluss am Straßenverkehr teilnehmen. Ihre Fahreignung beurteilt sich dann nicht nach denjenigen Kriterien, die für die illegale Einnahme von Cannabis gelten, sondern nach denjenigen, die für die Einnahme von Arzneimitteln gelten.

Wird das ärztlich verordnete Cannabis entgegen den insoweit gemachten Vorgaben eingenommen, liegt eine missbräuchliche Einnahme von Arzneimitteln vor mit der Folge, dass ebenfalls keine Fahreignung besteht. Wann im Zusammenhang mit ärztlich verordnetem Cannabis von einer missbräuchlichen Einnahme auszugehen ist, hat der Senat für die Praxis gut nachvollziehbar herausgearbeitet. Gleichzeitig macht er deutlich, dass auch im Fall von ärztlich verordnetem Cannabis ein Mischkonsum mit Alkohol ebenfalls zum Verlust der Fahreignung führt.“ VRiVG Felix Koehl, München zum Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29.4.2019

Beispiel 1: Führerschein trotz illegaler Therapie

Im saarländischen St. Wendel musste die Führescheinbehörde dem Widerspruch eines ADHS-Patienten stattgeben, der sich selbst mit illegalem Cannabis behandelt hatte und erst nach den repressiven Maßnahmen im Rahmen einer Verkehrskontrolle 2018 den Weg zum Arzt gesucht hatte. Seitdem bekommt er von seiner Ärztin medizinisches Cannabis verschrieben. Die bestätigte, dass er auch als illegaler Patient bereits verantwortungsvoll mit seinem Medikament umgegangen sei und es auch nicht missbräuchlich eingenommen habe. Zudem konnte der Patient ein Gutachten seines Betriebsarztes vorlegen, das ihm auch unter Einfluss von Cannabis die volle Fahrtauglichkeit attestierte. Nachdem der Führerscheinstelle klar war, dass sie die Fahrerlaubnis nicht aufgrund der einst illegalen Medikation einbehalten konnte, versuchte sie in einem letzten Verzweiflungsakt, dem Patienten eine missbräuchliche Anwendung nachzuweisen. Er wurde aufgrund der Blutwerte aus dem eingereichten Gutachten von der Führerscheinstelle verdächtigt, neben dem verordneten auch illegales Cannabis konsumiert zu haben. Nachdem die Behörde auch das nicht nachweisen konnte, musst sich der Rechtsausschuss des Kreises St.Wendel zum wiederholten Mal mit dem Thema auseinandersetzen. Der entschied dann schlussendlich, dass der Bescheid zum Entzug der Fahrerlaubnis ohne Anordnung zu einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung aufzuheben sei. Die eingereichten Gutachten von Haus- und Betriebsarzt belegten die Fahrtüchtigkeit ausreichend.

Beispiel 2: Diese drei Kriterien machen den Unterschied

Ein Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf aus dem Oktober 2019 (AZ 6 K 4574/18) gestattet einem Cannabispatienten die aktive Verkehrsteilnahme. Die Richter begründeten ihre Auffassung damit, dass Cannabispatienten, anders als Konsumenten der illegalen Substanz, ihrer Ansicht nach in der Lage sein können, Auto zu fahren. Die Frage der Fahreignung machten die Richter von drei Kriterien abhängig:

  • keine dauerhafte Einschränkung der Leistungsfähigkeit
  • dem verantwortungsvollen Umgang mit dem Medikament
  • die Einnahme darf nur streng nach ärztlicher Verordnung stattfinden

Die Richter sahen hier alle drei Kriterien als erfüllt an. Da ein Gutachten die Leistungsfähigkeit des Mannes unter Einfluss seiner Medikation bestätigt habe, stünde dem Anspruch des Patient auf die Fahrerlaubnis nichts im Wege.

Noch ein Hinweis 

Verwechseln Sie nicht die rechtliche Seite (Gericht) mit der behördlichen Seite (Führerscheinstelle).

Klienten deren MPU wegen einem Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (illegaler Konsum von Cannabis, THC) angeordnet wurde, und die dann versuchen sich über den Weg „medizinisch verordnetes Cannabis“ zu legalisieren, haben in der MPU extrem schlechte Karten! Hier wird ja nur versucht, die Abstinenz zu umgehen.

Fazit in so einem Fall: Machen Sie sich nichts vor und stehen Sie zu Ihrem Konsum in der Vergangenheit. Auch wenn das bedeutet, dass Sie einen Abstinenznachweis beibringen müssen.